Arbeit und Beschäftigung
Eine längere psychische Erkrankung beeinträchtigt oft die Fähigkeit erwerbstätig zu sein. Erwerbsarbeit ist struktur- und sinnstiftend und schafft (finanzielle) Selbstständigkeit. In diesem Artikel wird erläutert, wie Sie ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangen können und welche Möglichkeiten der Beratung und Förderung es gibt, um möglichst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Auch Beschäftigungsprojekte, die Werkstätten für behinderte Menschen und die Möglichkeiten der ehrenamtlichen Arbeit werden vorgestellt.
Medizinische und berufliche Rehabilitation
Bereits während eines stationären Klinikaufenthaltes können Sie Ihre Arbeitsfähigkeit prüfen oder verbessern. Durch Arbeitstherapie und Belastungserprobung sollen Grundfertigkeiten wiedererlangt werden. Im Asklepios Fachklinikum Göttingen erhalten die Patienten auf ärztliche Verordnung hin individuelle Arbeitsdiagnostik und -therapie. Bereiche der Arbeitstherapie sind u. a. Gärtnerei, Tischlerei, Buchbinderei, Fahrradwerkstatt und Industrieproduktion.
Nach einem Klinikaufenthalt ist eine wohnortnahe ambulante medizinische Rehabilitation möglich, die in eine berufliche Rehabilitation münden kann. Ziel ist es, eine (drohende) Behinderung abzuwenden oder zu beseitigen und eine „Teilhabe am Arbeitsleben“ zu sichern. Das Versorgungsangebot der Anbieter von RPK („Rehabilitation psychisch Kranker“) umfasst bei der medizinischen Reha ärztliche und therapeutische Behandlung, bei der beruflichen Reha vor allem Berufsorientierung und Arbeitstraining. Auch Umschulungen und berufliche Ausbildungen sind möglich.
Für Jugendliche und junge Erwachsene mit einer psychischen Erkrankung bietet ifas die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme „F.A.I.R.“ sowie eine Erstausbildung („Trans F.A.I.R.“) an, siehe www.ifas-goettingen.de (Pfad: Rehabilitation/für Jugendliche).
Schwerbehinderung
Eine Schwerbehinderung kann auch durch eine psychische Krankheit entstehen. Sie wird durch ein Versorgungsamt nach einem ärztlichen Begutachtungsverfahren festgestellt. Für einen Schwerbehindertenausweis muss man wenigstens einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 erreichen. Bei einem GdB von unter 50, aber wenigstens 30, kann man sich gleichstellen lassen. Das ist dann möglich, wenn jemand infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten kann. Ob es für das Arbeitsleben sinnvoll ist, einen Schwerbehindertenausweis zu haben, ist nur individuell zu klären.
Zuständig für Südniedersachsen ist das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (Pfad: Menschen mit Behinderung).
Arbeit und Beschäftigung: Beratung und Projekte
In Südniedersachsen gibt es weder Teil- oder Vollzeitarbeitsplätze noch Praktikumsplätze in Betrieben der freien Wirtschaft, die für psychisch erkrankte oder seelisch behinderte Menschen explizit vorgesehen sind. Unterstützung finden am ehesten behinderte Menschen, denen ein Arbeitsplatzverlust droht oder die Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen.
Für Menschen, die Leistungen der Eingliederungshilfe oder eine Erwerbsminderungsrente bekommen, ist es sehr schwer, etwas hinzuzuverdienen oder Anschluss an den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden.
Betroffene müssen selbst aktiv werden, können sich aber bei der Suche fachliche Unterstützung holen. Inzwischen existieren neue Modelle der Integration wie das „Budget für Arbeit“ und die „Unterstützte Beschäftigung“. Neben den hier aufgeführten Stellen in der Kategorie Arbeit und Beschäftigung gibt es zu den Themen Rehabilitation, Schwerbehinderung und Arbeit auch Hilfe durch die Teilhabeberatungsstellen (siehe EUTB).
Beschäftigung und Teilhabe am Arbeitsmarkt
Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für langzeitarbeitslose Erwachsene und Jugendliche werden von Betrieben, Vereinen, vielen sozialen Trägern und den hier aufgeführten Einrichtungen und Projekten angeboten. Es geht dabei um die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, die im Berufsleben wichtig sind. Ziel ist der begleitete (Wieder)-Einstieg ins Erwerbsleben. Manche dieser Maßnahmen sind befristete Ein-Euro-Jobs (offiziell: „Arbeitsgelegenheit
mit Mehraufwandsentschädigung“); dieses Entgelt wird zusätzlich zum Arbeitslosengeld II gezahlt. Die Arbeiten sind Zusatzjobs, die im öffentlichen Interesse liegen müssen.
Eine weitere Fördermaßnahme für Langzeitarbeitslose ist die „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach dem Teilhabechancengesetz. Hier werden für Arbeitslose über 25 Jahre, die mehr als sechs Jahre lang ALG II beziehen, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bezuschusst. Eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung (Coaching) unterstützt die Arbeitnehmer. Die Maßnahme ist auf fünf Jahre begrenzt. Zu allen hier vorgestellten Maßnahmen informieren die zuständigen Jobcenter und die Beschäftigungsförderung Göttingen.
Budget für Arbeit und Unterstützte Beschäftigung
Das Budget für Arbeit ist eine Unterform des Persönlichen Budgets (siehe EUTB) und soll ermöglichen, aus einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in
eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu kommen. Es besteht aus einem Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber und aus Anleitung und Begleitung für den Arbeitnehmer. Anspruchsberechtigt sind Menschen, die in einer WfbM arbeiten, und auch Menschen mit einer seelischen Behinderung, die grundsätzlich anspruchsberechtigt sind, aber nicht in einer WfbM arbeiten wollen.
Dieses Instrument des Arbeitsmarktes ist noch nicht sehr bekannt. Wenden Sie sich an Ihren Werkstattträger, an den Integrationsfachdienst oder eine Teilhabeberatungsstelle (EUTB), um sich beraten und unterstützen zu lassen. Ansprechpartner sind auch die örtlichen Sozialhilfeträger, also die Stadt Göttingen und die Landkreise Göttingen und Northeim.
Unterstützte Beschäftigung – auch „Inklusion in Arbeit“ genannt – bedeutet, dass Menschen mit Behinderung individuell an ihrem Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt qualifiziert, eingearbeitet und begleitet werden. Wie beim Budget für Arbeit ist das Ziel der Unterstützten Beschäftigung ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis jenseits der WfbM. In der ersten, zweijährigen Phase der Unterstützten Beschäftigung findet eine betriebliche Qualifizierung statt, deren Kostenträger in der Regel die Bundesagentur für Arbeit ist. Daran kann sich eine individuelle Berufsbegleitung durch einen Job-Coach anschließen.
Der Integrationsfachdienst und die Teilhabeberatungsstellen (EUTB) beraten zum Budget für Arbeit und zur Unterstützten Beschäftigung.
Werkstätten für behinderte Menschen
In einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) arbeiten Menschen, die wegen ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Es gibt solche Einrichtungen auch speziell für die Bedürfnisse seelisch behinderter Menschen. Handwerk, Dienstleistungen und Produktion sind die hauptsächlichen Arbeitsgebiete. Die Werkstätten haben auch die Aufgabe der Berufsbildung.
Tagesstrukturierung, sinnvolles Tun und Kontakte sind wichtige Faktoren – die Bezahlung ist im Vergleich zum allgemeinen Arbeitsmarkt gering.
Im Sinne der Inklusion wird immer mehr Wert darauf gelegt, dass die WfbM nicht die Endstation des Arbeitslebens sein müssen. Viele Anbieter bemühen sich inzwischen durch Bildungs- und Arbeitsmaßnahmen, Praktika in Fremdbetrieben oder ausgelagerte Arbeitsplätze einigen der Werkstatt-Teilnehmern den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen. Dazu kann auch das Budget für Arbeit nützlich sein, das im vorherigen Abschnitt vorgestellt wird.
Ehrenamtliche Arbeit
Ehrenamtliches Arbeiten ist eine gute Möglichkeit, jenseits der klassischen Erwerbsarbeit tätig zu sein. Gerade wenn Sie durch eine psychische Erkrankung eingeschränkt sind, können Sie die Freiwilligenarbeit dafür nutzen, Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten langsam wieder neu zu entdecken und Ihren Alltag durch eine regelmäßige Tätigkeit zu strukturieren. Und schließlich kann ein Ehrenamt Sie in Kontakt zu anderen Menschen (und vielleicht auch wieder zurück ins
Berufsleben) bringen.
Neben dem klassischen, langjährigen Ehrenamt in Vereinen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden gibt es seit einigen Jahren ein so genanntes „neues Ehrenamt“, das auch als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet wird: Hierbei geht es häufig um ein zeitlich begrenztes Engagement für ein bestimmtes
gemeinnütziges Projekt; z. T. ist auch eine Bezahlung in Form einer Aufwandsentschädigung vorgesehen. Die Arbeitsbereiche sind vielfältig: Sie reichen von der Flüchtlingshilfe über Natur- und Umweltschutzaufgaben bis zur Hausaufgabenunterstützung oder der Alltagsbegleitung von Senioren.
Zu Vereinen, Einrichtungen und Verbänden, die Freiwillige beschäftigen, können Sie direkt Kontakt aufnehmen. Es gibt außerdem Beratungs- und Vermittlungsstellen, in der Angebot und Nachfrage des freiwilligen Engagements aus den Bereichen Soziales, Kultur, Sport, Bildung, Ökologie und Kirche
in der Region Südniedersachsen zusammengebracht werden. Das freiwillige Engagement von und für Senioren wird besonders häufig vermittelt.