Psychiatrische Vorsorgeplanung

Jeder von uns kann plötzlich eine schwere psychische oder körperliche Erkrankung bekommen oder einen Unfall erleiden. Dann kann es sein, dass man kurzfristig oder auch länger nicht mehr handlungs- und einwilligungsfähig ist. Deshalb ist es sinnvoll, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, damit in Krisenzeiten die eigenen Behandlungswünsche bekannt sind und wichtige persönliche Informationen nicht verloren gehen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten wie Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Krisenpass und Behandlungsvereinbarungen.

Vorsorgevollmacht

Sie können einer oder mehreren Personen Ihres Vertrauens Vollmacht für bestimmte Schwerpunkte oder eine Generalvollmacht für alle Lebensbereiche erteilen. Dazu gehören u. a.: Vermögensangelegenheiten, Verfügung über Bankkonten, Vertretung in Renten-, Versorgungs- und Steuerangelegenheiten, Verträge, Wohnungsangelegenheiten, Gesundheits- und Behandlungsfürsorge. Die Voraussetzung zur Erteilung einer Vorsorgevollmacht ist, dass Sie selbst ebenso wie die von Ihnen für die Bevollmächtigung ausgewählten Personen zum Zeitpunkt der Ausstellung der Vollmacht einwilligungsfähig sind und selbst nicht rechtlich betreut werden.

Eine Vollmachterteilung macht die Bestellung eines rechtlichen Betreuers überflüssig. Die von Ihnen bevollmächtigte Person unterliegt keiner Kontrolle durch das Betreuungsgericht. Überlegen Sie also genau, wem Sie die zum Teil weitreichenden Befugnisse einräumen möchten.

Die Vollmacht muss klar abgefasst und die Aufgaben müssen detailliert benannt werden. Das hilft auch der bevollmächtigten Person und schützt diese vor Fehldeutungen. Eine notarielle Beurkundung der Vollmacht empfiehlt sich, ist aber nicht verpflichtend. Der Bevollmächtigte darf erst für Sie handeln, wenn Sie das nicht mehr selbst tun können. Falls Sie eine Patientenverfügung verfasst haben, ist er derjenige, der im Krisenfall die von Ihnen dort festgelegte medizinische (Nicht)-Behandlung umsetzen muss, wenn Sie ihn im Bereich Gesundheitsfürsorge bevollmächtigt haben. Er ist an Ihre Patientenverfügung gebunden. Eine Vorsorgevollmacht ohne gleichzeitigen Abschluss einer Patientenverfügung ist möglich, aber nicht sehr sinnvoll. In diesem Fall sollte die bevollmächtigte Person Ihre Werthaltungen und Wünsche so gut kennen, dass sie auch ohne schriftliche Aussagen von Ihnen in Ihrem Sinne in Bezug auf medizinische Fragestellungen handeln kann. Die Vollmacht sollte alle zwei Jahre überprüft und mit Datum, Ortsangabe und erneuter Unterschrift bestätigt werden. Änderungen, die jederzeit möglich sind, sollten dem Bevollmächtigten mitgeteilt werden. Es ist wichtig, die Vorsorgevollmacht bei den Personen zu hinterlegen, denen Sie Vollmachten erteilen. Eine Vorsorgevollmacht kann jederzeit von Ihnen aufgehoben werden.

Patientenverfügung

In einer Patientenverfügung können Sie schriftlich für den Fall eigener Einwilligungsunfähigkeit Ihren Willen in Bezug auf eine künftige medizinische Behandlung niederlegen. Viele Menschen bestimmen in einer Patientenverfügung, wie sie bei schwerster aussichtsloser Erkrankung, insbesondere in der letzten Lebensphase, behandelt werden möchten.

Noch nicht sehr bekannt ist die Anwendung von Patientenverfügungen im psychiatrischen Bereich. Psychiatriepatienten können mit einer Patientenverfügung Behandlungsformen (z. B. Elektroschockbehandlung oder bestimmte Medikamente) ablehnen oder spezifische Behandlungen einfordern. Psychiatrie-Erfahrene sollten die rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, die ihnen durch die Patientenverfügung zu Gebote stehen! Wenn Sie die Verfügung abfassen, können Sie sich zur Sicherheit Ihre Einwilligungsfähigkeit ärztlich bescheinigen lassen. Bedenken Sie, dass eine Verfügung, die nur aus der Abwehr von Behandlungen besteht, keinen Spielraum lässt. Maßnahmen wie Zwangseinweisungen und Fixierungen sind keine Behandlung und lassen sich daher auch nicht durch eine Patientenverfügung ablehnen.

Wenn Sie eine Patientenverfügung verfassen, empfiehlt es sich dringend, einen Bevollmächtigten mit Vorsorgevollmacht zu benennen. Ihre Behandlungswünsche sollten Sie differenziert ausführen. Wichtig ist es, den Hausarzt und nahestehende Personen über die Patientenverfügung zu informieren, damit sie bei Eintritt der beschriebenen Situation den behandelnden Ärzten zur Kenntnis gegeben wird.

Das Zentrale Vorsorgeregister (ZVR) ist die Registrierungsstelle für private sowie notarielle Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen aus dem ganzen Bundesgebiet. Der kostenpflichtige Service registriert die Vollmachten in einem Online-System.

Beratungen zur Vorsorgeplanung werden in Südniedersachsen von Hausärzten, Betreuungsstellen und Betreuungsvereinen, Beratungsstellen wie der Unabhängigen Patientenberatung oder den Pflegestützpunkten, kostenpflichtig auch von Rechtsanwälten durchgeführt.

Wenn Sie eine spezifische „psychiatrische Patientenverfügung“ abfassen wollen, können Sie zwar die angebotenen Textbausteine und Formulierungen der allgemeinen Verfügungen nutzen, es empfiehlt sich aber ein Blick auf die von Rudolf Winzen entwickelte „Münchener Patientenverfügung“, die speziell für die Bedürfnisse von Psychiatrie-Erfahrenen entwickelt wurde: www.wegweiser-betreuung.de (Pfad: Vorsorge Psychiatrie)

Krisenpass

Ein Krisenpass ist ein kleines, zusammengefaltetes, von Ihnen ausgefülltes Dokument, das man in der Brieftasche oder im Portemonnaie immer mit sich führt. Der Pass soll in einer psychischen Krise, wenn der Patient sich nicht oder nur schwer äußern kann oder sehr verwirrt ist, für die Behandler wichtige Informationen zur Erkrankung und zur Behandlung bereitstellen.

Für Südniedersachsen ist der regionale Krisenpass von einer „trialogischen“ Gruppe aus Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen und Anbietern psychosozialer Hilfen entwickelt worden. Der Pass enthält persönliche

und medizinische Daten, wichtige Hinweise zur Lebenssituation, Wünsche für die Behandlung, Aussagen zu Medikamenten sowie ein Fach, in dem man ein Blatt mit der aktuellen Medikation einlegen kann. Dieses lässt sich leicht austauschen, sodass der Pass immer aktuell bleibt. Zur Absicherung sollte der Krisenpass vom Haus- oder Facharzt mitunterschrieben werden.

Der Krisenpass wird von der Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen herausgegeben. Er ist bei den Einrichtungen des psychiatrischen Hilfesystems in Südniedersachsen erhältlich.

Behandlungsvereinbarungen

Eine Behandlungsvereinbarung ist ein Schriftstück, in dem ein Patient zusammen mit einer psychiatrischen Klinik vorsorglich Vereinbarungen für künftige stationäre Aufenthalte festlegt. Sie enthält konkrete Absprachen für den Fall einer erneuten Klinikaufnahme, insbesondere in Krisen und Notfallsituationen nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz oder dem Betreuungsrecht (siehe Kapitel Recht).

Die Behandlungsabsprachen dienen der gegenseitigen Vertrauensbildung und der verbesserten Zusammenarbeit zwischen Menschen in schweren psychischen Krisen und ihren Therapeuten. Sie beinhalten Erkenntnisse, die die Betroffenen in der Vergangenheit im Umgang mit ihren Krisen gesammelt haben und die für weitere Behandlungen genutzt werden können.

Die Behandlungsvereinbarung bietet die Möglichkeit, sich außerhalb von akuten Krisensituationen über Therapiemaßnahmen, besondere Wünsche und Anforderungen im Umgang miteinander, Regelungen sozialer Belange in der Krise, Vertrauenspersonen etc. zu verständigen.

Eine Behandlungsvereinbarung kann Elemente einer Patientenverfügung enthalten, also Aussagen über künftige medizinische Behandlungen wie z. B. über Medikamente, deren Einnahme der Patient ablehnt. In diesen Bereichen ist sie rechtlich bindend – auch in Krankenhäusern, mit denen man die Vereinbarung nicht abgeschlossen hat.

In Göttingen gibt es seit 2013 eine von einem trialogischen Team erarbeitete Behandlungsvereinbarung, die (ehemalige) Patienten nach einem Vorgespräch mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen abschließen können. Diese Behandlungsvereinbarung wird künftig auch in weiteren psychiatrischen Kliniken Geltung bekommen. Auskünfte zur Göttinger Behandlungsvereinbarung erteilt Dr. Katrin Radenbach (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen, Tel. 0551/39-66610, E-Mail: katrin.radenbach@med.unigoettingen.de).