Psychische Erkrankungen

Eine psychische Erkrankung ist meist ein existenzieller Einschnitt, eine umfassende Verunsicherung, die fast alle Elemente des Lebens berührt: Seele, Körper, Geist und soziale Situation. Eine psychische Erkrankung ist immer auch ein aktives Ringen mit sich selbst, mit schwierigen Lebensereignissen, Umbrüchen und Krisen des Selbstbildes. Psychische Erkrankungen sind damit nicht nur etwas sehr Individuelles, sondern auch etwas zutiefst Menschliches.

Psychische Krankheiten entstehen – wie viele körperliche Krankheiten – durch das Zusammentreffen verschiedener belastender Faktoren wie z. B. extremer Stress in mehreren Lebensbereichen, genetische Veranlagung, Drogenkonsum, aber auch körperliche Erkrankungen oder Erkrankungen des Gehirns. Auf der Suche nach Erklärungen für die Entstehung psychischer Erkrankungen wurde früher die Schuld häufig einzig der Familie und den Angehörigen zugeschrieben. Obwohl sich diese Denkrichtung längst als ein Irrweg der Forschung herausgestellt hat, ist sie noch immer in manchen Köpfen vorhanden und verursacht unnötiges Leid und Schuldgefühle. Bei der Gesundung spielt es eine große Rolle, ob Sie in Ihrer Umgebung und in der Familie geeignete Hilfe, Unterstützung und Verständnis finden.

Ärzte diagnostizieren und benennen psychische Erkrankungen anhand von medizinischen Klassifikationshandbüchern wie der „International Classification of Diseases“ (ICD). Diese richten sich nach Krankheitssymptomen und deren zeitlicher Dauer, haben beschreibenden Charakter und sagen nichts über die Ursache der Erkrankung aus. Diagnosen sind wichtige Arbeitsmittel für Ärzte. Patienten sollten sich aber nie auf Diagnosen reduzieren lassen, denn Diagnosen können stigmatisierend wirken. Zudem unterliegen Diagnosen immer auch dem Zeitgeist und den veränderten gesellschaftlichen Problemlagen, auf die Menschen mit Krankheit reagieren. Das zeigt sich darin, dass im Lauf der Geschichte der Psychiatrie Diagnosen wieder verschwunden sind (z. B. Hysterie, Neurasthenie) und andere dazu gekommen sind (z. B. Burnout, Online-Spielsucht).

Eine kurze Erläuterung zu den häufigsten psychischen Erkrankungen:

Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis

Merkmal einer Schizophrenie ist eine Störung des Realitätsbezugs, die sich z. B. durch das Erleben von Gedankenlautwerden, Halluzinationen, Wahnvorstellungen (z. B. Verfolgungswahn), Stimmenhören, Denkstörungen etc. äußert. Die Betroffenen nehmen Dinge wahr, die „objektiv“ von anderen Menschen nicht wahrgenommen werden. Manchmal kommt es auch zu Apathie, Sprachverarmung, verflachten Gefühlen, sozialem Rückzug und verminderter sozialer Leistungsfähigkeit.

Affektive Erkrankungen

Diese äußern sich durch Störungen der Affekte, also der Stimmung und des Gefühlszustandes. Man unterscheidet bipolare (manisch-depressive) von unipolaren Störungen, wie der Depression oder der Manie.

Manie

Eine Manie besteht, wenn eine Person ständig oder häufig ein übersteigertes Hochgefühl, hektische Aktivität, euphorische Stimmung oder das Gefühl einer erhöhten Leistungsfähigkeit erlebt. In der Manie kommt es oft zu großer Risikobereitschaft, Überaktivität und Enthemmtheit was nicht selten in Aggressionen umschlägt. Die Betroffenen leugnen häufig vor sich und anderen, dass es irgendein Problem gibt und reagieren gereizt, wenn sie auf offensichtliche Schwierigkeiten hingewiesen werden.

Depression

Menschen in einer Depression leiden extrem an dem Gefühl innerer Leere und am Verlust von Interesse und Freude. Konzentration, Aufmerksamkeit, Antrieb und Leistungsfähigkeit sind reduziert; Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen dadurch verringert. Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit, Suizidgedanken, Schlafstörungen und verminderter Appetit können als Symptome auftreten. Der Erkrankte sieht oft keinen Sinn mehr in seinem Leben und Handeln, so dass es auch zu Suizidgedanken und -versuchen kommen kann.

Borderline-Syndrom

Unter diese Bezeichnung wird eine Persönlichkeitsstörung gefasst, bei der Ziele, innere Präferenzen und das eigene Selbstbild unklar bzw. gestört sind. Kennzeichen können z. B. sein: impulsives Handeln ohne die Berücksichtigung von Konsequenzen, wechselnde instabile Stimmungen und/oder gewalttätige bis explosive Zornausbrüche. Oft erleben Betroffene ein chronisches Gefühl der inneren Leere, knüpfen immer wieder unbeständige und unangemessen intensive menschliche Beziehungen und bekämpfen eine wirkliche oder eingebildete Angst vor dem Verlassenwerden. Wiederholte Suiziddrohungen oder -versuche oder andere selbstschädigende Handlungen können auftreten.

Posttraumatische Belastungsstörung

Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis oder eine Situation  außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf. Die Erlebnisse (Traumata) können von längerer oder kürzerer Dauer sein, wie z. B. schwere Unfälle, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen oder  Kriegshandlungen, wobei die Betroffenen Gefühle wie Angst und Schutzlosigkeit erleben und Hilflosigkeit und Kontrollverlust empfinden. Typisch für die PTBS sind die sogenannten Symptome des Wiedererlebens, die sich den Betroffenen tagsüber in Form von Erinnerungen an das Trauma, Tagträumen oder Flashbacks, nachts in Angstträumen aufdrängen. Etwa ein Drittel aller Menschen erlebt im Laufe des Lebens ein schweres Trauma, aber nicht alle entwickeln psychiatrische Symptome.

Angsterkrankungen

Von einer Angsterkrankung spricht man, wenn die Angstreaktionen der Situation nicht angemessen sind, zu lange dauern und/oder die betreffende Person keine Möglichkeit zur Erklärung, Reduktion oder Bewältigung mehr besitzt. Diese Angstzustände führen dann zu einer massiven Beeinträchtigung der Betroffenen. Häufige Formen der Angsterkrankung sind die Panikstörung (wiederkehrende, unerwartete, für den Betroffenen nicht erklärbare körperliche Angstreaktionen), die Generalisierte Angststörung mit starken Anspannungsgefühlen auch bei Alltagsproblemen, die Agoraphobie (Angst vor und Vermeidung von bestimmten Orten oder Situationen) und die Soziale Phobie (Angstund Vermeidungsreaktionen bei sozialen Anforderungen).

Zwangserkrankungen

Wesentliche Kennzeichen von Zwangserkrankungen sind wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen (Wasch-, Zähl-, Kontrollzwang etc.). Die Betroffenen erleben diese Handlungen oft als vorbeugende Maßnahme gegen ein angstbesetztes, jedoch relativ unwahrscheinliches Ereignis. Die Erkrankten werden durch den hohen Zeitaufwand der Zwangshandlungen in ihren sozialen Kontakten und der persönlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Neben den hier beschriebenen Erkrankungen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer psychischer Krankheitsbilder, wie z. B. Belastungsreaktionen (die erkrankte Person kann nach schweren Erschütterungen wie Unfällen oder Schockerlebnissen das seelische Gleichgewicht nicht wiederfinden) oder Ess-Störungen (z. B. Magersucht und Bulimie) sowie unterschiedliche Suchterkrankungen.
All diese Erkrankungen haben eine gute Heilungschance, wenn sie richtig erkannt und behandelt werden, vorzugsweise durch eine ärztliche Behandlung mit medikamentöser Therapie, aber auch durch unterstützende Gespräche, eine Psychotherapie, die Entwicklung neuer, hilfreicher Verhaltensweisen und Genesungsstrategien und durch Selbsthilfe.

Mögliche Verhaltens- und Reaktionsweisen bei eindeutigen Signalen psychischer Erkrankung bei…

Verhaltens- und Reaktionsweisen