Selbsthilfe
Selbsthilfe für Menschen mit psychischen Krisen
Menschen mit psychischen Krisenerfahrungen sind „Experten in eigener Sache“. Überlassen Sie Ihre Erkrankung nicht allein den Ärzten und Therapeuten, sondern werden Sie selbst aktiv! Sie können sich über die eigene Erkrankung „schlau machen“, Informationen von Therapeuten einfordern, Frühwarnzeichen einer drohenden Erkrankung erkennen, Ihre gesunden Anteile fördern und stärken und sich mit anderen Menschen darüber austauschen.
Was jeder für sich tun kann: Individuelle Selbsthilfe
Lassen Sie sich von Ihren Ärzten und Therapeuten über Ihre Erkrankung aufklären. Fragen Sie nach der Wirkungsweise der Medikamente und dem Ziel einer bestimmten Behandlungsform. Fragen Sie nach, wenn Sie medizinische Fachbegriffe nicht verstehen. Als mündiger Patient können Sie sich z. B. aus verständlich geschriebenen Fachbüchern oder aus dem Internet informieren. Im Göttinger Gesundheitszentrum, Lange-Geismar-Straße 82, finden Sie und Ihre Angehörigen Bücher zum Thema psychische Erkrankungen.
Eine schwere psychische Erkrankung ist etwas sehr Individuelles. Es lohnt sich, in einer möglichst krankheitsfreien Phase darüber nachzudenken, wie die eigene Erkrankung begonnen hat und welche Frühwarnzeichen es gibt.
Frühwarnzeichen können sein:
- vermehrte Schlafstörungen
- Veränderungen im Denken (Gedanken werden schneller oder langsamer oder wirken wie von außen eingegeben)
- ver nderte Körperwahrnehmung
- Veränderungen der eigenen Verhaltensweisen und des Gefühlslebens, z. B. extremer Rückzug von der Außenwelt oder ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis
Frühwarnzeichen rechtzeitig zu erkennen bedeutet, dass Sie einer akuten psychischen Erkrankung nicht hilflos ausgeliefert sein müssen, weil Sie selber rechtzeitig und selbstständig etwas dagegen tun können. Das kann auch heißen, dass Sie sich in dieser Situation professionelle Hilfe holen
Was hält mich gesund?
- Versuchen Sie, auf Ihre Grundbedürfnisse zu achten, auf gesundes Essen und Trinken, auf regelmäßigen Schlaf und frische Luft.
- Vermeiden Sie andauernden negativen Stress – er ist ein wichtiger Krankheitsfaktor.
- Finden Sie bei dem, was Sie tun, Ihren eigenen Rhythmus und einen Aktivitätsgrad, der für Sie richtig ist – nicht zu viel und nicht zu wenig.
- Schaffen Sie sich zuverlässige Kontakte zu anderen Menschen. Es muss kein riesengroßer Freundeskreis sein: Wenige, dafür aber krisenfeste Freundschaften und Bekanntschaften tun es auch. Bekämpfen Sie Einsamkeit aktiv!
Gemeinsam ist es leichter: Selbsthilfegruppen
In einer Selbsthilfegruppe treffen sich Menschen zu einem gleichberechtigten Erfahrungsaustausch und wechselseitigem Lernen. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe arbeiten dabei meist ohne professionelle Hilfe. Es tut gut, wenn man mit seinen psychischen Problemen nicht allein ist und Menschen trifft, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Basis einer Selbsthilfegruppe ist der vertrauensvolle Umgang der Gruppenmitglieder untereinander und ihre Verschwiegenheit nach außen. Die Gruppe kann den notwendigen Schutzraum bieten, um traumatisierende Psychiatrie- Erfahrungen anzusprechen. Man kann sich in der Gruppe über Behandlungs- und Therapieverfahren oder die verschiedenen Wege des Gesundwerdens austauschen. Eine Selbsthilfegruppe ist gelebtes bürgerschaftliches Engagement und sie am Laufen zu halten kann ein interessantes ehrenamtliches Betätigungsfeld sein. Schließlich sind Selbsthilfegruppen auch eine gute Möglichkeit, um neue Leute kennen zu lernen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Inzwischen gibt es auch gute Selbsthilfeforen im Internet. Bei all dem ist eine Selbsthilfegruppe oder ein Online-Forum aber kein Ersatz für eine eventuell notwendige ärztliche oder therapeutische Behandlung.
Informationen zur Selbsthilfe und zu Selbsthilfegruppen in Südniedersachsen
Die Selbsthilfegruppen in Südniedersachsen sind zum Teil diagnosespezifisch (z. B. zum Thema Depression), zum Teil auch diagnosenübergreifend (z. B. Psychose, Krisenerfahrungen, Psychiatrieerfahrung). Manche richten sich an bestimmte Altersgruppen oder sind nur für Frauen oder Männer. Während einige Gruppen schon viele Jahre lang existieren, gibt es auch immer wieder Neugründungen und Gruppenauflösungen. Viele Gruppen können Sie ohne Anmeldung besuchen, andere nehmen nur begrenzt oder nach Absprache neue Mitglieder auf. Angehörige sind nicht in allen Gruppen für Betroffene zugelassen. Jede Gruppe hat ihren eigenen Stil. Es lohnt sich, sich eine Gruppe zu suchen, die wirklich gut zu einem passt.
Einige Gesprächsgruppen werden durch Fachkräfte angeleitet und unterstützt; sie sind dann keine Selbsthilfegruppen im eigentlichen Sinn mehr. Im stationären, aber auch im ambulanten Bereich werden solche Gruppen, wenn sie nach einem festen Themenplan arbeiten, als Psychoedukation bezeichnet. Sie sollen Patienten (und auch Angehörige) vor allem über Krankheitsbilder und Frühwarnzeichen aufklären.
In den unabhängigen Selbsthilfekontaktstellen in Göttingen, Osterode und Northeim kann man sich über Selbsthilfegruppen (nicht nur) im Bereich der psychischen Erkrankungen informieren. In einem Gespräch mit den Mitarbeitern kann jeder klären, wann der Besuch einer Selbsthilfe- oder Gesprächsgruppe sinnvoll ist. Die Kontaktstellen unterstützen zudem Interessierte bei der Gründung von neuen Selbsthilfegruppen.
Selbsthilfe für Angehörige psychisch erkrankter Menschen
Wenn jemand psychisch erkrankt, sind immer auch andere Menschen mit betroffen: Eltern, Partner, Verwandte, Freunde, Arbeitskollegen. Bei vielen Erkrankten ist die Familie der wichtigste „Rettungsanker“. Das ist gut, kann aber bei den Beteiligten auch zu Ängsten, Ratlosigkeit, Überforderung und Schuldgefühlen führen.
Es ist wichtig, dass sich Angehörige über alle Aspekte einer psychischen Erkrankung informieren, aber auch, dass sie sich abgrenzen können und lernen, gut für sich selbst zu sorgen. Dann können sie sich auch sinnvoll für die erkrankten nahen Menschen einsetzen, Lobby für sie sein und mit ihnen zusammen etwas erreichen. Von der fachlichen Seite werden Angehörige nicht selten übersehen oder funktionalisiert:
Fordern Sie als Angehörige unterstützende Gespräche für sich von den Fachleuten ein! Adressen von Angehörigen-Selbsthilfegruppen, die dem Austausch, der Information über Krankheitsbilder und der gegenseitigen Stärkung dienen, erhalten Sie über die Selbsthilfekontaktstellen und in Beratungsstellen. Angeh rigengruppen werden auch in psychiatrischen Kliniken angeboten.
Kinder als Angehörige
Auch Kinder sind Angehörige psychisch erkrankter Menschen. Die „kleinen Angehörigen“ können die Probleme des erkrankten Elternteils oft nicht einordnen und verstehen; sie suchen die Schuld für die Krankheit häufig bei sich, fühlen sich für die Familie verantwortlich, übernehmen mitunter die Elternrolle und haben keinen, mit dem sie über ihre Ängste oder ihre Wut sprechen können.
Fachleute haben das Thema lange übersehen, aber erfreulicherweise gibt es für Kinder und ihre erkrankten Eltern inzwischen einige Hilfsangebote wie das Patenschaftsprojekt der AWO in Göttingen und das Beratungsangebot CAMINO.
Für viele Kinder hat das Leben mit einem psychisch kranken Elternteil Auswirkungen bis in das eigene Erwachsenenalter. Für die Belange und Interessen von erwachsenen Kindern psychisch erkrankter Eltern setzt sich der bundesweite Verein Seelenerbe e.V. ein. Dort gibt es auch ein Online-Diskussionsforum für Betroffene.